In den letzten 20 Jahren hat der Frauenfußball deutlich an Relevanz gewonnen. Das Endspiel der Frauen-EM 2022 haben rund 17,897 Millionen Menschen gesehen, womit diese Zuschauerquote die des Endspiels 2022 in Katar deutlich übertroffen hat. Das Champions-League-Finale zwischen den Frauen des FC Barcelona und den Frauen des VFL Wolfsburg ist zum ersten Mal seit der Saison 2009/2010 ausverkauft. Doch trotzdem ist der Frauenfußball vom Ansehen und der Gleichwertigkeit der Männer meilenweit entfernt. Woran liegt das?
Physische und taktische Leistungsfähigkeit
Ein Argument, welches als erstes von vielen Menschen gepredigt wird, ist oftmals das der physischen sowie psychischen Leistungsunterschiede zwischen Männern und Frauen. Doch was ist daran wahr?
Während Männer einen geringen Anteil an Körperfett aufweisen, liegt bei Frauen der Anteil an Körperfett höher. Auch ist der Anteil der Muskelmasse bei Frauen deutlich niedriger als bei Männern.
Es ist bewiesen, dass Männer in ihrer Anatomie oftmals den Frauen überlegen sind. Im Leistungssport erreichen Männer rund 10 bis 20% höhere Leistungsfähigkeit in verschiedenen Disziplinen, wobei Frauen bei Ultra-Ausdauerdisziplinen die Nase vorn haben, da sie einen höheren Fettstoffwechsel haben.
Blickt man also auf den physischen Aufbau von Männern und Frauen, so scheint es zunächst so, als seien Männer aufgrund dessen den Frauen gegenüber bevorteilt.
Schaut man nun jedoch auf die taktischen Fähigkeiten von Männern und Frauen, so ist nach einer Studie der „Kölner Wissenschaftsrunde“ bewiesen, dass es keine Unterschiede zwischen den beiden Geschlechtern auf Höchstleistungsniveau gibt. Bei dieser Studie wurden unter anderem die Anzahl der Pässe, die Passerfolgsquote, die Anzahl der Dribblings sowie die Anzahl der Torabschlüsse ausgewertet. Auf Basis dieser Positionsdaten wurden die Druckübertragungseffizienz, verschiedene Pressing-Indikatoren sowie verschiedene Strafraumparameter der Raumgewinnkontrolle und offensive Dreipunktparameter untersucht. Diese Datenbasierte Analyse kam zu dem Ergebnis, dass Männer und Frauen vergleichbare Werte aufwiesen. Es ist also nicht korrekt zu sagen, dass Männer den Frauen taktisch überlegen sind.
Quelle: https://koelner-wissenschaftsrunde.de/profi-fussball-frauen-vs-maenner/
Investitionen in den Frauenfußball sowie Förderung
Hinzu kommt, dass der Frauenfußball im Vergleich zum Männerfußball deutlich weniger durch Investitionen oder Förderung unterstützt wird. Große Vereine wie RB Leipzig, Borussia Dortmund und Mainz haben sich andere Prioritäten als die finanzielle Unterstützung ihrer Frauenmannschaften gesetzt – Schalke sieht es nicht einmal als Aufgabe, eine Frauenabteilung zu etablieren.
Geht man einen Schritt weiter, und zwar in Richtung Gehalt der Spielerinnen, so ist auch hier der Unterschied enorm. Während Spieler wie Thomas Müller beim FC Bayern im Jahr rund 15 Millionen Euro verdienen, liegt das Gehalt der Bundesligaspielerinnen weit unter dem Durchschnittsgehalt der Bundesrepublik. Selbst erfolgreiche Fußballerinnen wie zum Beispiel Sydney Lohmann, ebenfalls Spielerin für den FC Bayern, verdient im Jahr „nur“ 150.000 €. Das ist weit weniger, als die männlichen Topstars verdienen.
Viele Frauen müssen sich einen Zweitjob suchen, um finanziell nicht in eine Notlage zu rutschen. Während die Niederlande es bereits geschafft haben eine gleiche Bezahlung für ihre männlichen und weiblichen Nationalspieler/innen einzuführen, hängt Deutschland extrem hinterher. Kommt es zudem zu den Sportstätten, so spielen die Frauenmannschaften der Bundesligisten oftmals auf Nebenplätzen und nicht in den Stadien. Was, wenn die Männer aus Rücksicht gegenüber der Frauen auf dem Nebenplatz spielen müssen? Was, wenn die männliche Nationalmannschaft einen Trainer bekommt, der keinerlei Erfahrung hat? (Jürgen Klinsmann ausgenommen).
Historischer Hintergrund
Die Geschichte des Frauenfußballs ist begrenzt. Im Jahre 1955 wurde den Frauen das Fußballspielen zunächst verboten. Erst 1970 erlaubte der DFB den Frauen wieder Fußball zu spielen. Da man Angst hatte, die Frauen könnten sich übernehmen, erlaubte man ihnen jedoch vorerst nur 2×35 Minuten zu spielen, und das nur mit Jugendbällen. Und von wem wurden diese Entscheidungen getroffen? Männern. 1990 wurde dann schließlich die erste Bundesliga für Frauen gegründet. (Genaueres hierzu findet ihr in dem Artikel von Jette.)
Jugendförderung
Auch im Bereich der Jugendförderung sind noch Lücken zu finden. Es gibt die Möglichkeit bei Sichtungsturnieren gesichtet zu werden, um dann anschließend zunächst in die Kreis-, dann die Bezirks-, später die Niedersachsen- und letztendlich in die Bundesauswahl zu gelangen. Das Training dort ist sehr qualifiziert. Aber: Oftmals gibt es die Möglichkeiten für eine Sichtung nur für die jüngeren Jahrgänge (E- Jugend, D- Jugend und ggf. C- Jugend). Wenn man dort nicht die Chance ergriffen hat, kann man nur noch über die sogenannte Vereinssichtung gesichtet werden, bei welcher Vereine, gegen die man z.B. spielt, das Interesse an dir als Person äußern können. Spielt man nun jedoch seit Jahren in der 3. Kreisklasse, so hat man kaum Möglichkeiten weg von dort zu kommen. Hinzu kommt, dass viele Mädchen ab der C-Jugend aufhören Fußball zu spielen, da die Möglichkeiten und Aussichten für den Mädchenfußball nicht glorreich genug sind. Die Mannschaften werden immer kleiner.
Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, dass wir momentan nicht einmal wissen, ob es in der nächsten Saison eine Staffel für die A-Jugend in unserem Bezirk gibt, da nicht genügend Mädchenmannschaften vorhanden sind, oder ob wir in die Damen hochgehen müssen. Auch wenn es um die Ausstattungen der Mädchenmannschaften im Amateurbereich geht, müssen diese im Vergleich deutlich öfter einstecken. Die Mädchenmannschaften unseres Vereins geben untereinander die zu kleinen Trikots an die Jüngeren ab, während die Jungenmannschaften schon deutlich öfter von eigenen, neuen Trikots profitierten
Es ist also offensichtlich, dass der Frauenfußball im Vergleich zum Männerfußball deutlich benachteiligt ist. Ob die oben genannten Fakten eine Begründung für die Diskriminierung sind, oder ob es einfach an den patriarchalen Strukturen liegt, die sich immer noch nicht aus den Köpfen des Großteils der Gesellschaft verabschiedet haben, bleibt fraglich. Für die Zukunft ist jedoch sicher, dass dem Frauenfußball deutlich mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte.
Quellen:
https://koelner-wissenschaftsrunde.de/profi-fussball-frauen-vs-maenner/